Die Kunst der Gastfreundschaft

Ein kunstvoll gedeckter Tisch, eine Auswahl von eleganten Gläsern, ein passendes Blumenarrangement. Nach langen Phasen der Trennung von unseren Liebsten scheinen ästhetische Details dieser Art beim Gastgeben in den Hintergrund zu treten. Wir haben vielmehr den Wunsch, uns umeinander, aber auch um uns selbst zu kümmern.

„Es geht dabei gar nicht mal so sehr ums Kochen. Es geht vielmehr darum, zusammen am selben Tisch zu sitzen und beim Essen über Gott und die Welt zu reden.“ JAYDEN ALI

Um dieser Idee auf den Grund zu gehen, ließen wir einige Persönlichkeiten an unserer Tafel Platz nehmen: Erchen Chang, Creative Director der BAO Restaurants in London, Charlie Porter, Schriftsteller und Autor von „What Artists Wear“, und Jayden Ali, Leiter von JA Projects und Co-Kurator des britischen Pavillons 2023 in Venedig. Wir sprachen über ihre frühesten Erinnerungen an Familientreffen, über die Festtafel als perfekten Rahmen für den kulturellen Austausch und darüber, warum ein Imbiss zuweilen die beste Wahl ist.

DANIELLE PENDER  Ich würde gern mit Kindheitserinnerungen an Familientreffen, Feiern oder Abendessen beginnen. Wie liefen sie ab? Wo fanden sie statt? Was gab es zu essen? Erchen, möchten Sie vielleicht anfangen? 

ERCHEN CHANG  Meine Familie ist relativ groß. Ich habe sechs Tanten und Onkel. Bei uns gab es also immer diese großen Familienessen, bei denen meine Großmutter für uns alle kochte. Das waren regelrechte Bankette, für die sie früh morgens auf den Markt ging und dann den ganzen Tag am Kochen war. Dabei ging es immer ziemlich chaotisch, aber auch sehr fröhlich zu. Sie kam auch immer wieder zu uns, um sich zu vergewissern, dass wir auch alle gut aßen – sie war wirklich gut im Multitasking. Diese frühen Erlebnisse, bei denen immer viel los war, haben mich zu einem Menschen gemacht, der alles beobachtet, was gerade um ihn herum passiert. Und genau das tue ich jetzt auch in den Restaurants. Ich beobachte, wie die Leute essen und was sie trinken; ich frage mich, warum jemand nichts isst. 

JAYDEN ALI  Wenn ich darüber nachdenke, werden all die wunderbaren Erinnerungen an meine Großeltern wieder wach. Ich bin halb Trinidader und halb Türke. Die türkische Seite meiner Familie ist eine typische türkische Londoner Familie. Sie wohnt an der Green Lanes, einer Straße voller Restaurants, die von Ortsansässigen betrieben werden. Das beste Restaurant befand sich aber immer im Garten meiner Großeltern. Dort wuchsen Feigenbäume und meine Großmutter bereitete in der Küche gefüllte Weinblätter und Gebäck zu – sei es für einen großen Tag oder ein besonderes Ereignis wie eine Hochzeit, ein Mevlit [eine türkische Totengedenkfeier, Anm. d. Red.] oder eine Beerdigung. Vom Grill gingen verführerische Gerüche aus, und mein Großvater blies mit dem umgestellten Staubsauger Luft auf die Kohlen, um das Feuer zu schüren, auf dem diese unglaublich leckeren Fleischstücke brutzelten. Es waren meine Großmutter und mein Großvater, die bei diesen Zusammenkünften für echten Zusammenhalt sorgten. 

CHARLIE PORTER Wir waren eine sehr häusliche Familie. Meine Eltern waren nicht besonders gesellig, zudem lebten wir mitten auf dem Land. Da ich aber drei Schwestern habe, war zu den Mahlzeiten immer viel los. Sie waren jeden Tag ein wirklich wichtiger Bestandteil. Meine Eltern sind beide Künstler und waren beide Lehrer. Deshalb waren sie abends immer zuhause, wenn wir uns alle um einen Tisch versammelten. Dabei ging es nicht so sehr darum, wie viel man aß oder wann man aufstand und den Tisch verließ – wir saßen einfach sehr gerne beisammen. Ich denke, dass sich meine Einstellung zum Kochen und zu Zusammenkünften sowie meine Vorstellungen von einem guten Leben genau darauf zurückführen lassen. 

DANIELLE PENDER Was bereiten Sie heute am liebsten zu, wenn Sie Gäste einladen? Oder welche Art von Atmosphäre schaffen Sie gerne?

CHARLIE PORTER Ganz einfache Dinge wie Brot und Hummus und dann Fisch aus dem Ofen. Also etwas sehr, sehr Ursprüngliches und ganz sicher nichts zum Angeben, aber immer mit den bestmöglichen Zutaten. Zudem versuche ich, nicht immer die ganze Zeit in der Küche zu stehen, sondern an den Gesprächen teilzunehmen. Ich hoffe, dass ich im Laufe dieses Gesprächs ein paar hilfreiche Tipps dazu bekomme. Allein wenn ich über das Bewirten von Gästen spreche, möchte ich es künftig öfter und besser machen.

ERCHEN CHANG Da ich mich in den letzten Jahren sehr auf die Eröffnung der Restaurants konzentriert habe, traf ich mich meistens dort mit Freunden. Seit ich Mutter geworden bin, laden mein Partner und ich unsere Freunde nach Hause ein – eine super schöne und intime Art des Zusammenkommens. Normalerweise bin ich ein Mensch, der vom Kauf der besten Zutaten, die ich finden kann, bis zu einer Numerologie-Lesung nach dem Essen und einer Teezeremonie alles gibt. Seit das Baby da ist, musste ich mich jedoch in letzter Zeit stark zurücknehmen. Da ich oft Nudeln koche, habe ich vor der Geburt meines Babys eine Menge vorgekocht und eingefroren, weil ich bereits ahnte, dass ich wahrscheinlich zu müde sein würde, um zu kochen, wenn das Baby da ist. Das hat sich als sehr nützlich erwiesen.

DANIELLE PENDER Jayden, wir kommen zum Abendessen zu Ihnen. Was servieren Sie? Was ziehen Sie an? Welche Musik legen Sie auf?

JAYDEN ALI Ich muss zugeben, dass ich kein großer Koch bin, aber glücklicherweise kann meine Lebensgefährtin hervorragend kochen. Ich spiele eher die Rolle des Gastgebers und sorge dafür, dass alle ihre Snacks und Getränke bekommen. Im Hintergrund läuft bei mir WhizKid. Das ist zeitgenössische westafrikanische Highlife- und Afrobeat-Musik, die sich sehr gut dazu eignet, musikalisch den Ton vorzugeben. Neulich hatten wir acht Personen zum Abendessen zu Gast, und meine Freundin hat eine köstliche Auswahl an Currygerichten zubereitet. Da sie auch Bühnenbildnerin ist, hatte sie wundervoll den Tisch gedeckt. Es gab Kerzen, das Haus sah gut aus, wir hatten das besondere Besteck herausgeholt und es gab Tischsets. Trotzdem hatte das Ganze keinen formellen Charakter, es passte also nicht alles bis ins Detail zusammen. Ich merkte, dass es allen einfach nur gefehlt hatte, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. Es ist etwas ganz Besonderes, sich an diesen Tischgesprächen zu beteiligen, bei denen es beispielsweise um die eigene Herkunft sowie um aktuelle Themen und politische Debatten geht. Sie wissen schon: Sie erzählen etwas aus Ihrer Kindheit oder über Ihre Leidenschaften und erfahren etwas über die bizarre Leidenschaft einer anderen Person. Das sind alles wirklich wundervolle Momente.

„Bei einem Fondue chinoise oder einem Barbecue entsteht sofort ein Gespräch darüber, wie das jeweilige Gericht gegessen wird, warum es auf eine bestimmte Art und Weise gegessen wird oder was die Nuancen eines bestimmten Geschmacks ausmachen. Es geht also tief in diesen kulturellen Austausch hinein, damit wir erfahren und verstehen, woher die Dinge kommen und was sie bedeuten.“ ERCHEN CHANG

DANIELLE PENDER  Mir gefällt die Idee, an der Festtafel Herkunftsgeschichten oder Kindheitserzählungen auszutauschen. Ich wollte Ihnen eine Frage zu der These stellen, dass der Esstisch ein Ort des kulturellen Austauschs ist. Charlie, was halten Sie davon?

CHARLIE PORTER  Essen ist für mich Anthropologie. Wenn sich also Menschen um einen Tisch versammeln, gibt uns das die Gelegenheit, Geschichten über uns selbst zu erzählen, ohne dass man jemanden ausdrücklich darum bitten muss, seine Geschichte zu erzählen. 

DANIELLE PENDER  Erchen, ich vermute, dass es bei Ihrer Arbeit vor allem um diesen kulturellen Austausch geht. Es geht darum, taiwanesisches Essen nach London zu bringen und es ein wenig zu verändern. Was denken Sie über den Esstisch als Ort des kulturellen Austauschs und das Essen als Anthropologie?

ERCHEN CHANG Wenn wir Freunde zu Gast haben, kochen wir manchmal taiwanesisch. Wenn ich ein Fondue chinoise oder ein Barbecue zubereite, entsteht sofort ein Gespräch darüber, wie das jeweilige Gericht gegessen wird, warum es auf eine bestimmte Art und Weise gegessen wird oder was die Nuancen eines bestimmten Geschmacks ausmacht. Es geht also tief in diesen kulturellen Austausch hinein, damit wir erfahren und verstehen, woher die Dinge kommen und was sie bedeuten. Wenn es darum geht, wie unterschiedlich wir Essen sehen und uns dem Kochen annähern, denke ich an meine Schwiegereltern, die gerade in London sind. Wir kochen für sie mit vielen wirklich guten britischen Zutaten, weil sie Kantonesen sind. Zu Hause essen sie also klassische kantonesische Gerichte mit Reis, gedünstetem Fisch und pochiertem Fleisch. Wir haben für sie Schweinebraten mit einem Bohneneintopf zubereitet. Das Fleisch stammte von Mangalica-Schweinen aus Cornwall. So lernen sie durch das Essen, das wir für sie zubereiten, etwas über lokale britische Erzeugnisse. Im Gegenzug kochen sie für mich eine sehr nahrhafte chinesische Heilbrühe, die ich 30 Tage lang trinken kann, damit sich mein Körper nach der Geburt meines Kindes erholt. Von ihnen lerne ich, was ich wann essen muss. Sie haben auch Schweinsfüße mit schwarzem Essig und Ingwer für mich zubereitet, ein traditionelles Gericht, für das ein großer Topf vorbereitet und jedes Mal vor dem Essen neu aufgekocht und angereichert wird. Es soll das Chi verbessern, das Blut erneuern und erwärmen, Kälte und Feuchtigkeit vertreiben, die Kollagenbildung fördern und die Vitalität des weiblichen Körpers wiederherstellen. Mir graut jedes Mal vor dem Moment, wenn eine große Portion davon vor mir auf dem Tisch steht, aber danach kann ich tatsächlich diese Wärme in mir spüren.

DANIELLE PENDER  Jayden, Sie haben bereits Ihre duale Herkunft aus Trinidad und der Türkei erwähnt. Haben sich diese jemals am Esstisch überschnitten?

JAYDEN ALI  Die vollen Züge meiner Art der Gastfreundschaft spiegeln sich in der hybriden Kultur wider, in der ich aufgewachsen bin. Ich bin ein Mann mit schwarzer Hautfarbe und türkischer Abstammung, der im Londoner Stadtviertel Bethnal Green aufgewachsen ist. Ich spreche manchmal Cockney und bin in einer von Bangladeschern geprägten Gegend aufgewachsen. Diese Details kommen bei Gesprächen am Esstisch oder durch bestimmte Essgewohnheiten oft zum Vorschein. Zum Beispiel esse ich immer mit einem Tuch oder einer Serviette auf den Knien. Das habe ich von meiner Mutter übernommen, und sie hat es von ihrem Vater übernommen – es ist eine ziemlich türkische, mediterrane Eigenart, immer dieses ausgebreitete Tuch bereitzuhalten. Ich denke, es gibt kulturelle Merkmale, die bei jeder Mahlzeit einen Großteil meiner Essgewohnheiten ausmachen.

DANIELLE PENDER  Wie sieht es mit der Machtdynamik der Gastfreundschaft aus?

JAYDEN ALI  Ich finde, dass es wirklich interessant ist, diese Gastgeberdynamik umzukehren. Vor ein paar Jahren hatten wir dieses Projekt im Wintergarten des Barbican Centre. Dabei arbeiteten wir mit dem Kent Refugee Action Network, dem Flüchtlingsaktionsnetzwerk der Grafschaft Kent zusammen, das bei asylsuchenden unbegleiteten Minderjährigen hervorragende Arbeit leistet. Gemeinsam haben wir dieses Restaurant im Wintergarten des Barbican Centre eingerichtet, in dem wir köstliche Baklava und syrische Gerichte zubereitet haben. Das war ein Moment, in dem sich die Machtdynamik umkehrte, da die Beteiligten, die sich bislang stets von der Gesellschaft ausgegrenzt gefühlt hatten, in diesem großen städtischen Gebäude mitten in London die Gastgeberrolle übernahmen.

CHARLIE PORTER  Das britische Konzept der Gastfreundschaft ist sehr eng mit dem Klassensystem verknüpft. Dadurch kann sich im Hinblick auf einen Ort, an dem man sich nicht willkommen fühlt, manchmal ein negativer Beigeschmack ergeben, während Gastfreundschaft in vielen anderen Teilen der Welt immer etwas mit Großzügigkeit sowie damit zu tun hat, andere Menschen willkommen zu heißen und zusammenzubringen. Bei uns gibt es Stereotypen dieser steifen, englischen Lebensart – die Serie Downton Abbey existiert nicht ohne Grund. Deshalb liebe ich Lokale wie das Rochelle Canteen oder das, was Jeremy Lee im Quo Vadis macht, denn dort dreht sich einfach alles um das Kochen und das Gefühl, Menschen zusammenzubringen, um eine perfekte Verbindung zu schaffen.

DANIELLE PENDER  Erchen, das Innere des Restaurants BAO in Fitzrovia ist vom Gemälde „Nighthawks“ von Edward Hopper inspiriert. Was an der dargestellten Szene hat Sie inspiriert?

ERCHEN CHANG  Das Restaurant in Fitzrovia liegt an einer ruhigen, grünen Straße, gleich um die Ecke von der geschäftigen und überlaufenen Oxford Street. Als wir das Haus am Eck mit den großen Fenstern zum ersten Mal sahen, dachten wir sofort an „Nighthawks“ und stellten uns vor, wie es wohl nachts aussehen würde, wenn es draußen dunkel ist. Edward Hoppers Gemälde zeigen dieselbe Atmosphäre, die wir auch im BAO schaffen wollen – den Moment des Alleinseins, den wir einzufangen versuchen, und das grundlegende Gefühl, das sich durch mein Werk „Rules to be a Lonely Man“ zieht. Es ist ein guter Ort, um Leute zu beobachten. Vielleicht fällt der Blick auf diese beiden Leute an der Bar, zwischen denen eine merkwürdige dynamische Chemie herrscht. Diese Szene hat wirklich den Ton für die Innenraumgestaltung vorgegeben.

„Wenn sich also Menschen um einen Tisch versammeln, gibt uns das die Gelegenheit, Geschichten über uns selbst zu erzählen, ohne dass man jemanden ausdrücklich darum bitten muss, seine Geschichte zu erzählen.“ CHARLIE PORTER

DANIELLE PENDER Jayden, Charlie, gibt es bestimmte Esstischszenen aus der Kunst oder aus Filmen, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind?

JAYDEN ALI Vor Kurzem habe ich mir „Diary of a Victorian Dandy“ von Yinka Shonibare angesehen, eine Serie, die von Hogarths „A Rake’s Progress“ inspiriert ist. Es handelt sich um eine Serie inszenierter Fotografien, auf denen sich Shonibare als schwarzer behinderter Mann in die prominente Position dieses weißen Aristokraten hineinprojiziert. Die Fotos halten die Spannung aufrecht und werfen ein Licht auf die Ungleichheiten in der Gesellschaft. Sie verkörpern aber auch die Fantasie, zwei Seiten des Lebens eines Menschen zu sehen: die ganz großen, herrschaftlichen Momente und dann das Ende des Abends, wenn sie mit ihrem Verstand am Ende sind und sich schämen – die ausschweifende Szene nach dem Essen. Es ist ein Kommentar zur Künstlichkeit – alles ist künstlich.

CHARLIE PORTER Bei mir sind es der Film „Mondsüchtig“ und das American Diner. Jedes Mal, wenn ich als Kind ein solches Restaurant sah, dachte ich sofort: „Wow, offenbar gibt es diese Orte tatsächlich!“ Als ich zum ersten Mal mit meinem jetzigen Ehemann nach New York City reiste, landeten wir dort an einem Samstag gegen Mitternacht und aßen danach in einem ukrainischen Diner namens Veselka. Vor der Pandemie war es rund um die Uhr geöffnet, und das hat uns wirklich dazu gebracht, über andere Lebensweisen nachzudenken. Wenn wir in New York leben würden, könnten wir dort bis spät in die Nacht arbeiten und um 1 Uhr nachts essen gehen. Das amerikanische Diner war für mich immer die ultimative Vorstellung von Gastfreundschaft – ein Ort, der einem immer offensteht.

DANIELLE PENDER Wie wichtig ist Ihnen das Tischgeschirr? Haben Sie da bestimmte Lieblingsstücke?

CHARLIE PORTER Mir ist das Geschirr, von dem wir essen, sehr wichtig, aber ich habe nur wenige wirklich besondere Teile. Meine Lieblingsschale ist von der amerikanischen Künstlerin Andrea Zittel. In ihrer Kunst geht es um Lebensweisen und Funktionalität. Sie stellt diese Schalen her, um ihre künstlerische Tätigkeit zu finanzieren. Die Schalen, die ich habe, sind von AZ West. Es gibt sie in verschiedenen Größen, und ich liebe es, mein Mittagessen aus dieser Schale zu essen. Diese Teller bestehen aus Melamin. Ich habe sie vor etwa fünfzehn Jahren bei Crate & Barrel in New York gekauft. Ich habe zwei davon in einem hellen Rosa und zwei davon in Blau. Ich liebe es, von solchen bunten Tellern zu essen, weil es einfach gegen jede Regel ist.

JAYDEN ALI Ich finde es interessant, wie man eine Bindung zu einzelnen Besteck- oder Geschirrteilen entwickelt. Ich habe ein wirklich schönes japanisches Buttermesser aus Bronze mit polierter Schneide, und es fühlt sich jedes Mal sehr befriedigend an, damit einen Toast zu bestreichen.

DANIELLE PENDER Erchen, das gesamte Keramikgeschirr in Ihrem Restaurant ist handgefertigt. Wie haben Sie mit den Keramikern zusammengearbeitet? Welches Ziel wollten Sie damit erreichen?

ERCHEN CHANG Owen Wall war der erste Keramiker, mit dem wir zusammengearbeitet haben, und mir gefielen damals die Filme von Yasujirō Ozu. Ein Markenzeichen seiner Filme war der sehr tief angesetzte Kamerablickwinkel. Ich wollte einen Teller, der optisch dasselbe bewirkt, der irgendwie vom Tisch wegzuschweben scheint, damit sich das Auge wirklich auf das Essen konzentrieren kann. Beim BAO-Teller haben wir gemeinsam daran gearbeitet, diese Art von Stärke und Glanz zu erreichen, die wirklich dem BAO entspricht. Obwohl es sich um einen Teller handelt, vermittelt er trotzdem das Gefühl von etwas Flauschigem, Weichem und Niedlichem.

DANIELLE PENDER Und zu wem gehen Sie am liebsten zum Abendessen?

ERCHEN CHANG Ich würde sagen, zu meiner Schwägerin, weil ihr Lebensgefährte richtig gut kochen kann. Nur der Geschmack unterscheidet sich ein wenig von der Art, wie wir das Essen würzen. Manchmal kocht er einfach nur Tomatenkutteln oder einen Fischeintopf, aber es ist immer etwas ganz Anderes als das, was ich zubereite. Er verwendet Kräuter aus seinem eigenen Garten; alles ist superfrisch und einfach – und total lecker.

JAYDEN ALI Mit einigen meiner engsten Freunde ist es zum Ritual geworden, dass wir uns immer reihum bei einem von uns zu Hause treffen. Wir versuchen, das alle sechs Wochen zu machen, aber es geht dabei gar nicht so sehr ums Kochen. Manchmal läuft es sogar darauf hinaus, dass wir etwas bestellen oder Reste essen. Es geht vielmehr darum, zusammen am selben Tisch zu sitzen und beim Essen über Gott und die Welt zu reden. Es ist einfach ein Moment, in dem die Menschen, die einem am nächsten stehen, wirklich für einen empfänglich sind. Dann kann man in diesem geschützten Rahmen sagen oder tun, was immer man will.

DANIELLE PENDER Mir gefällt die Vorstellung, einen Imbiss anzubieten, bei dem es mehr um das Zusammenkommen geht als um das perfekte Abendessen.

CHARLIE PORTER Ich bin ein großer Befürworter des Imbisskonzepts. Wenn man Freunde hat, die nicht im Einzugsgebiet eines bestimmten Restaurants wohnen, dann ist das eine tolle Sache. Wir haben beispielsweise Freunde, die bei uns vorbeikommen, damit wir gemeinsam etwas aus dem Tayyabs bestellen. Zum Abendessen gehe ich gerne zu meinen Eltern, nachdem ich sie während der Pandemie so lange nicht gesehen habe. Ich sehe meiner Mutter sehr gerne beim Kochen zu. Ich bin oft erstaunt, wie sie das hinbekommt. Sie kocht generell einfache, aber trotzdem sehr leckere Gerichte. Ich habe das Kochen von meiner Mutter und meiner Großmutter gelernt. Und da ich ständig ans Kochen denke, fühlt es sich für mich so an, als würde ich die ganze Zeit an meine Mutter denken. Das ist eine wirklich schöne Art, um auch gedanklich mit ihr in Verbindung zu bleiben.

Erchen Chang, eine taiwanesische Chefköchin, Creative Director von BAO, einer erfolgreichen Restaurantgruppe in London, studierte Bildhauerei und Medien an der Londoner Slade School of Fine Art. 

Jayden Ali, ein Architekt an der Schnittstelle von Architektur, urbaner Strategie, Kunst und Performance, ist Co-Kurator des britischen Pavillons der Biennale in Venedig 2023.

Charlie Porter ist Autor, Modekritiker, Kunstkurator und Dozent für Mode an der University of Westminster und lebt in London. Er ist der Autor des Buchs „What Artists Wear“.